Ächzend stieg die alte Dame in den Trolleybus ein. Sie zeigte dem Fahrer ihre Karte, dann ließ sie sich schwer auf einen der Holzsitze am Fenster fallen.
In der Hand hielt sie eine braune Tragetasche aus Lederimitat. Immer wieder griff sie hinein, holte ein kleines, braunes Portemonnaie mit Bügelverschluss heraus, knipste ?s auf, starrte hinein und schüttelte den Kopf. Ab und an fingerte sie ihre Scheine ein wenig auseinander, um sie besser betrachten zu können.
„Grüß sie, Nina Petrowna“, sagte eine Frau, die sich einige Stationen weiter keuchend auf den Platz neben sie gesetzt hatte. Statt einer Tragetasche hielt sie leere Körbe in der Hand. Ansonsten war sie Nina Petrownas Ebenbild: Grauer Dutt unter blauem Kopftuch, Blumenkleid, ausgetretene Sommerschlappen. Sie war dick und rund, die Haut ihres gräulichen Gesichts war ledern und faltig. „Wie ist es Ihnen heute ergangen?“
Nina Petrowna klippte ihr Portemonnaie auf und betrachtete nachdenklich seinen Inhalt. Langsam und vorsichtig klippte sie es wieder zu und steckte es in ihre Tasche, erst dann wandte sie sich ihrer Nachbarin zu.
„Ich hatte noch einen Strauß am Abend, vier Tage alt. Wollte ihn eigentlich wegschmeißen, doch dann kam eine Frau vorbei, eine Ausländerin, wollte wissen was er kostet. Da habe ich es gemacht, wie Sie es mir immer raten, Daria Iwanowna, ich habe tausend Rubel verlangt. Tausend Rubel!“
„Ich gratuliere Ihnen, Nina Petrowna. Und?“
„Und sie hat sie mir gegeben.“ Babuschka Margarita holte wieder ihr kleines Portemonnaie hervor, klippte es auf und blickte hinein. „Tausend Rubel. Für einen vertrockneten Strauß. Wie viel Gemüse ich davon kaufen kann, Kaffee, Fleisch sogar.“ Sie klippte das Portemonnaie wieder zu und verstaute es vorsichtig.
„Richtig so, Nina Petrowna. Sie können stolz sein auf sich.“
Nina Petrowna sah ihre Gesprächspartnerin unsicher an, holte ihr Portemonnaie wieder hervor und klippte es auf. „Tausend Rubel. Als ich mich von dem Schock erholt hatte, ging ich zur Bushaltestelle. Da lag er, der Strauß, im Mülleimer. Tausend Rubel zahlt sie dafür, dann schmeißt sie ihn weg.“ Sie klippte ihr Portemonnaie wieder zu, verstaute es und hielt ihre Tasche fest in beiden Händen. “Ich zog den Strauß wieder heraus, aus dem Mülleimer. Ich weiß auch nicht warum, auf einmal kam er mir wertvoll vor. Da kommt ein Mann vorbei, noch ein Ausländer. Blickt mich an, blickt den Strauß an und sagt etwas. Etwas Unverständliches. Er wollte den Preis wissen. Ein wartender Fahrgast übersetzte das. Ich sage: „Tausend Rubel.“ Ihre Lektion hatte ich ja nun gelernt, Daria Iwanowna. Tausend Rubel, sage ich. Und was denken Sie, Daria Iwanowna, was er tut? Er hört sich an, was der Fahrgast übersetzt, gibt mir einen Tausend-Rubel-Schein, nimmt die zerrupften, alten Blumen und geht weiter.“
Daria Iwanowna klatschte vergnügt mit der Hand auf ihre runden Schenkel. „Ausgezeichnet, Nina Petrowna. Besser geht' s nicht. Sie werden leben wie eine Königin, den ganzen Monat lang, wenn nicht zwei.“
Nina Petrowna holte ihr Portemonnaie hervor, klippte es auf und sah wortlos hinein.