Waschtag

Beschimpft hatte er sie, wo hast du den Schweinkram her, als sie mit hochrotem Kopf und zitternder Stimme versucht hatte, ihm die fehlenden Kenntnisse nahezubringen, die dem Buch zufolge aus Schmerzen Freude hätten machen können. Altes Zanzellork, immer nur nörgeln, nörgeln, nörgeln.

So wetterte er immer, wenn sie sich beklagte und im Laufe der Jahre beklagte sie sich immer mehr. Über all die Arbeit, die sie ihr machten. Ausgelaugt hatten sie sie, die Kinder, ihr alle Kraft genommen, mit ihrer Saugerei an der Brust, die so sehr schmerzte, dass sie bei jeder Berührung hätte schreien können. Die Zähne waren ihr ausgefallen, all ihre Lebenskraft hatten sie ihr geraubt.

Es war Zeit, den Mittagstisch zu decken. Eintopf. Am Waschtag war keine Zeit zu kochen. Die Kinder kamen nach und nach aus der Schule zurück, sie musste sie antreiben, damit sie die Jacken ordentlich aufhängten, ihre Schultaschen verstauten, Hände wuschen. Er blieb weg. Unaufschiebbarer Besuch auf der Baustelle, sie hatte ihm kalte Hühnerschenkel und Schinkenbrot mitgegeben. Er blieb immer häufiger weg vom Mittagstisch, am Abend sowieso. Ratsherren, Sangesbrüder, Geschäftstermine. Und sie beklagte sich, immer mehr. Altes Zanzellork, schimpfen, jammern, nörgeln.

Wenn sie nur nicht all die Kinder bekommen hätte. Früher, als sie in der Firma geholfen hatte, da war es besser gewesen. Sie hatte ihn auf Messen begleitet, Bauwagen ausgesucht, Kräne, ihre Meinung war ihm wichtig gewesen. Es war fast so schön gewesen wie vor der Hochzeit, als sie sich kennengelernt hatten, bei der Arbeit. Sie war Schreibkraft gewesen, er Stadtbaumeister. Wie ihr Herz geschlagen hatte, wenn er mit seinen stahlblauen Augen in ihr Büro gekommen war. Nur wenn er ihre Hand gefasst hatte, dann hatte sie ihm mit dem Lineal eins über die Finger gegeben, wie den anderen auch.

Beim Mittagessen, Gezänk und Kindergeschrei, sie musste schlichten. Danach alle zum Stillsitzen bringen, Hausaufgaben. Die durften zur Schule gehen, die lernten etwas, und wussten es nicht einmal zu schätzen. Sie hatte nur sechs Jahre die Grundschule besuchen dürfen, dann hatten sie sie zur Minna gemacht, zum Hausmädchen, bis sie sich die Stelle bei der Stadt erkämpft hatte.

Wieder abräumen, spülen, einräumen, den Esszimmertisch abwischen, fegen, Arbeitsplatte reinigen, die Küchengeräte auch.

Immer, wenn sie gedacht hatte, sie hätte es hinter sich, immer wenn sie gerade abgestillt hatte, wenn also einer endlich fertig war damit, ihr allen Saft und alle Kraft aus dem Körper zu ziehen, sie auszulaugen, ihr die Zähne zu rauben, dann hatte er sich wieder auf sie gewälzt – und der nächste Blutsauger hatte sich bei ihr eingenistet. Als der dritte gekommen war, war es endgültig aus gewesen für sie in der Firma. Büroarbeit und widerwärtig stinkende Windeln, das vertrug sich einfach nicht.

Kontrolle der Böden, kleine und größere Ausbesserungen, dann wieder mit dem Hausmädchen in den Waschkeller, Laken zockeln. Sich gegenüberstellen, jede mit zwei Enden des Lakens in der Hand, auf einer Seite ruckartig ziehen, gegen den erbitterten Widerstand des Gegenübers, auf der anderen Seite selbst Widerstand leisten. Seiten wechseln. Rhythmisch der Wäsche alle Falten und Unebenheiten austreiben. Das Hausmädchen und sie, sie waren aufeinander abgestimmt, seit Jahren, wie Akrobaten, die gemeinsam eine Trapeznummer vollführen.

So hatten die Kinder sie nicht nur ihrer Zähne, ach was, ihrer gesamten Lebenskraft beraubt, auch ihre Position in der Firma hatten sie ihr genommen. Und ihre Ehe. Wie erleichtert war sie gewesen, als die vierte Schwangerschaft in einer Fehlgeburt geendet war, jubeln hätte sie können, aber die Freude war nur von kurzer Dauer gewesen. Keine zwei Monate hatte es gedauert, und schon hatte sich wieder ein Blutsauger eingenistet. Hoffnungslos.

Nach dem Zockeln, Staubwischen. Alle Möbel, auch oben auf den Schränken und Türrahmen. Niemand sollte mit dem Finger darüber fahren können und etwas entdecken. Die Vasen, die Schälchen, die Döschen. Zack, zack, zack, mit dem gelben Tuch darüber. Staub ab.

Wie verzweifelt war sie gewesen. Sie hatte alles versucht, um es wieder loszuwerden. Gerannt, immer gerannt war sie, so schwer wie möglich hatte sie gehoben. Die Treppe war sie hinunter gesprungen, wann immer es ging, und einmal, als das Hausmädchen Ausgang hatte, war sie vom Tisch gesprungen.

Da, ein Foto von ihm, mit selbstzufriedenem Lachen. Wenn er die Hände auf dem Rücken hatte, sah er noch fetter aus. Zack, zack, zack mit dem gelben Tuch darüber, auch Schlagen half gegen Staub.

Es hatte alles nichts geholfen. Sie war immer wieder schwanger geworden. Einmal, noch einmal und noch einmal. Und da waren sie nun alle und machten ihr nichts als Arbeit.

Sie holte ein Fläschchen, einen Lappen und machte sich daran, die dunklen Glasscheiben der Schwingtür zum Esszimmer zu polieren, mit weiten, runden Bewegungen, die immer kleiner wurden. Sie ließ kritisch ihre Augen über die Tür gleiten, putzte hier und da eine Schliere weg, betrachtete schließlich zufrieden ihr Werk.

„Besser geht es nicht“, sagte sie. Laut. Zu niemandem Bestimmten.

Früher wäre er jetzt, genau an dieser Stelle, durch die Schwingtür gekommen, mit selbstzufriedenem Lachen, Tauben in einer Hand, in der anderen Obst. Jedes Mal, wenn das passiert war am Waschtag, war ihr schwindelig geworden und heiß. Nach all der Plackerei jetzt auch noch Tauben rupfen, braten, Obst schälen, klein schneiden, einkochen, in Gläser füllen, die blitzblanke Küche, erneut ein Schlachtfeld. Ihr Werk, im Augenblick der Fertigstellung schon wieder zerstört. Gerade den steilen, unendlich langen Aufstieg zurückgelegt, am Gipfel angekommen, den tonnenschweren Fels abgelegt, und schon rollte er wieder ins Tal hinunter.

Jetzt nicht mehr. Das alte Zanzellork hatte ihm das ausgetrieben, hatte sich durchgesetzt, mit seiner Nörgelei.

Ruhe bis zum Abendessen. Besser ging es nicht.

Ein zufriedenes Lächeln erhellte ihr ganzes Gesicht.

 

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