„Ich weiß, dass Ihr Schweinkram macht im Wald, du und Curt. Ich habe euch gesehen.“
Friedrich verzog das Gesicht, es mochte der Versuch eines Lächelns sein. Schwer zu sagen bei ihm. Seine Lippen waren weich und voll wie die von Wilhelm, eigentlich. Zartrosa, in der Kindheit hatte stets ein Hauch von Feuchtigkeit darauf gelegen. Zwei blondgelockte Engel, Zwillinge, die ältesten Söhne der Familie. Bis Friedrich ein Fieber befiel. Schüttelte den kleinen Körper grausam und unerbittlich, drei Wochen lang. Die Mutter hatte Tag und Nacht an seinem Bett gewacht, ihm mit feuchten Tüchern die Stirn gekühlt, ihm Brei und Suppe eingeflößt, ihn gestreichelt, seine zartrosa Lippen geküsst, die immer trockener und brüchiger geworden waren. Unermüdlich fürsorgliche Mutter. Aufopfernd. Unbesiegbar, auch für den Tod. Mit sieben Unterröcken und einer langen, beigefarbenen Schürze aus festem Leinenstoff.
Als Friedrich schließlich wieder aufstand, hatten seine Lippen jeden Schmelz verloren. Auf einer Seite war sein Mund war in die Länge gezogen, fast bis zum Ohr. Auf der anderen fielen die Lippen leblos nach unten.
Die Zwillinge hatten ihre Ähnlichkeit verloren und ihre Nähe auch.
„Wie die Schweine habt Ihr euch im Dreck gewälzt.“ Friedrich spuckte aus. „Wenn das die stolze Tochter der Glashütte erfährt. Dann wird sie dich wohl kaum noch nehmen.“
„Möchtest du sie heiraten?“, fragte Wilhelm sanft.
Der dumpfe Schlag von Friedrichs Faust traf ihn mitten ins Gesicht, jagte pfeilscharfe Schmerzen durch Nase und Stirn. Ihm wurde schwarz vor Augen.
„Und warum nicht“, hörte er den Bruder brüllen. „Warum nicht? Glaubst du wirklich, nur du kannst gut heiraten mit deinen Mädchenlippen, die du doch nur dazu benutzt, um deinem dreckigen Curt den Schwanz zu lutschen, während ihr euch im Schlamm suhlt? Glaubst du wirklich, nur du kannst den Hof erben, ganz gleich was für Schweinereien du machst?“
Wilhelm tupfte sich mit einem Tuch die Nase ab. Er legte die Hand auf Friedrichs Schulter.
„Lass gut sein Bruder.“
Friedrich stieß Wilhelms Arm weg, so heftig, dass er taumelte.
Ohne ein Wort stürzte Friedrich aus dem Zimmer.