Mein Bruder und ich, wir haben versucht, das Beste draus zu machen, aus unserer Lehnsknechtschaft, sogar eine kleine Grafschaft haben wir uns eingerichtet, ich erwähnte es ja bereits. Fünf Dörfer immerhin, jeder fängt mal klein an, also jedenfalls die, die nicht gleich ganz oben anfangen. Aber mit den zerstückelten Ländereien, die wir uns zusammengeklaubt haben, hier ein bisschen Lehnspfand, da eine kleine Allode, da kommt man auf keinen grünen Zweig. Der Boden ist karg, die Bauern, von denen wir unseren Unterhalt beziehen, sind bitter arm, die Hälfte unserer Flächen ist zu klein für Dreifelderwirtschaft.
Als wenn das nicht genug wäre, gibt es auf den Marktplätzen für die gleiche Menge Roggen jedes Jahr weniger Klimpergulden. Dafür heben die Lehnsherren umso freudiger die Abgaben an, schließlich sind Kreuzzüge zu bestreiten, Fehden auszufechten, missratene Söhne müssen zum Ritter geschlagen und verheiratet werden, möglichst mit einer Frau, deren Familie selbst Ländereien in Hülle und Fülle besitzt, dann lohnt sich das Schröpfen der Lehnsleute erst so richtig.
Was bleibt einem Ritter da noch? Die Rüstung und die Waffen kann man eine Weile verrosten lassen, aber wenigstens das Pferd muss noch einigermaßen laufen können. Und was glauben Sie, was das kostet? Der Preis für Pferde, der fällt natürlich nicht, der schießt in die Höhe, der will ganz hoch hinaus.
Und? Fällt Ihnen etwas auf? Richtig, die Rechnung geht nicht auf, es reicht hinten und vorne nicht. Seit sich diese verfluchten Münzen durchgesetzt haben, steigen die Kosten, die Erträge fallen, und auf die Hilfe eines Lehnherrn braucht ein Ritter nicht zu hoffen. Allenfalls wirft der einem ein noch minderwertigeres Stück Land in einer noch entlegeneren Gegend hin, aus schlechtem Gewissen, ein Kopfnicken, gewissermaßen, in Anerkennung des alten Treueverhältnisses, über das die Zeit hinweggegangen ist. Auf echte Rückendeckung, auf eine Ausstattung, die einem den Unterhalt sichern würde, braucht man nicht zu hoffen. Das tut nicht mehr not, darauf können die Herren Lehnsherren verzichten, seit die sich ihre Krieger auf dem nächsten Marktplatz zusammenkaufen können.
Aber auch ein Ritter muss mal was essen, maßvoll, versteht sich, und gottesfürchtig. Aber verhungern wollen wir auch nicht an unseren Tugenden, und wenn wir keinen standesgemäßen Lebenswandel mehr an den Tag legen, dann brauchen wir überhaupt nicht mehr auf unsere Lehnsbeziehungen zu zählen. Auf eine Einladung zum Festmahl noch weniger.
Was tut man also? Man tut, was man gelernt hat, Fehden, Kämpfe, kleinere Scharmützel, und dazu gehört nun einmal das Plündern. Das hat nichts Planvolles, es ergibt sich von selbst, oder haben Sie schon einmal einen Krieg ohne Raub, Zerstörung, Notzucht und Totschlag erlebt? Kämpfen und töten, das erhitzt, was sag ich, das Gemüt geht geradezu in Flammen auf dabei, da fallen alle Schranken. Schließlich ist man dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen, was zählen da noch Regeln? Und dann diese Wut im Bauch.
Ein kleines Scharmützel hatten wir mit den Welfen, eine Fehde kann man es nicht einmal nennen. Um ein Zipfelchen Land hier ging es, ein Zipfelchen Land dort, wir wollten endlich eine etwas größere Fläche geschlossener Ländereien zusammenstellen, nur um etwas besser zu wirtschaften inmitten der fallenden Getreidepreise. Ja, vielleicht haben wir noch ein bisschen mehr geplündert als gewöhnlich, wundert Sie das? Ich hab' Ihnen ja erklärt, wie es um uns bestellt ist.
Ich brauche nur an Münzen zu denken, dann habe ich Lust Feuer zu legen, abbrennen die Städte, eine nach der anderen, wie sie da stehen. Die Kaufmannsgeschlechter und die Zünfte, die sich alle für was Besseres halten, was für eine Freude wäre das, ihre Geschäfte in Flammen aufgehen zu sehen, die Badehäuser, wo sie von morgens bis abends huren, von wegen Reinlichkeit, zum Himmel stinkt ihr Kot und ihr Dreck in den Gossen. Und die wagen es, mich einen Plünderer, zu nennen, mich, einen Räuber, einen Verbrecher!
Ich will ihnen sagen, wo geräubert wird, auf deren Marktplätzen, da wird geräubert, geschröpft und betrogen, ihre Marktweiber schreien und kreischen und schreien und kreischen, dass man ihnen die Lanze in den Bauch rammen möchte, damit sie nur endlich Ruhe geben. Entschuldigen Sie bitte, das ist nicht ritterlich und auch nicht galant, was ich sage, aber hören Sie sich das nur mal eine halbe Stunde an, dieses Gekreische, es ist unerträglich, danach speien sie Feuer wie einer von den Drachen, die ich angeblich jederzeit furchtlos erlegen würde.
Nun gut, lassen wir die Lanze weg, immer dieses Gemetzel, das kann kein Mensch ertragen, und was bringt das auch, am Ende, sagen wir, man möchte sich die Mohrrüben ins Ohr stecken, die sie auf ihrem Markt verschleudern, beide Gehörgänge zustopfen, um endlich Ruhe zu haben. Stattdessen muss man es sich anhören und sich dann auch noch von ihnen erniedrigen lassen. Bei jeder neuen Ernte fällt der Preis ein bisschen mehr. Und unsere Bauern sind schon so arm, noch mehr können wir ihre Abgaben wirklich nicht erhöhen.
Merken Sie was? Die Städte haben uns ausgeplündert, bevor wir sie geplündert haben. Und jetzt haben sie es nur für konsequent gehalten, auch noch unsere Burg zu schleifen, sie dem Erdboden gleichzumachen, als Sühne für unsere Sünden, sagen sie, dafür dass wir uns im Eifer des Gefechts an ihren Besitztümern vergangen haben, nachdem sie uns unsere Lebensgrundlage genommen haben und unsere Würde gleich dazu.
Der Preis für das Korn auf unseren Feldern fällt, als wenn es von Schädlingen befallen wäre, die von Jahr zu Jahr besessener wüten, weil jetzt die Städte und ihre Heller und Pfennige bestimmen, was etwas wert ist und wieviel. Deswegen verfällt auch der Wert unserer Dienste, unserer Treue, unseres Einsatzes im Kampf. Was jahrhundertelang hoch geschätzt, gepriesen und besungen wurde, ist jetzt ein Verbrechen. Was früher edler Kampf, Treue und Pflichterfüllung im Dienste unseres Lehnsherrn war, ist jetzt Raub und Plünderung.
Sie brauchen das als Bestätigung ihrer Macht, damit ein für alle Mal klar ist, dass der Verlauf der Welt von ihren Gesetzen bestimmt wird, was etwas wert ist und was nicht, das entscheiden ihre Münzen. Und wer ein Räuber ist und wer nur verteidigt, was ihm zusteht, das entscheiden sie auch.
Unser Handwerk ist verdorben, sie hätten es nicht klarer machen können als mit diesem Geröllhaufen, auf dem ich hier sitze, wie ein Vollidiot. Ein Schluck noch, Prosit allerseits! Dann sind auch meine letzten Burgunderweinreserven geleert. Dann habe ich hier wirklich nichts mehr verloren.
Ich mache mich besser auf und sehe nach meinem Bruder, nicht dass der noch die Waldbächlein über die Ufer treten lässt, mit seinen Tränen.
Nach einer neuen Lebengrundlage sollte ich mich auch umsehen. Etwas, was ein bisschen mehr Bestand hat, als die Ritterlüge, Tapferkeit, Ehre und Treue gegen Land und Schutz.
Kirche, das ist es, denen sollte ich mich anschließen. Da steht der Papst dahinter, Ländereien, Reichtum, und den Gläubigen kann man immer ein paar Gaben entlocken, schließlich geht es um ihren Platz im Himmelreich. Lesen kann ich, Sprachen, auch Latein, wenn es sein muss, das war bei meiner Ritterausbildung dabei, außerdem kann ich Okzitanisch, und wer Okzitanisch kann, der kann auch Latein, und wer Latein kann, der kann alle Sprachen. Mein Gesinge mag den Ansprüchen der hohen Minne nicht gerecht werden, aber für einen Mönchschor reicht es alle mal.
Kirche, das ist es! Da suche ich mir einen schönen Orden mit großen Ländereien und eigener Weinproduktion und dann trinke ich mit Gott.
Hahaha, da kommt mir doch gleich wieder die Lust auf meine wohlgeformten Freundinnen, ach meine Schönen, so gierig habe ich von eurem Saft gekostet, dass mir nichts von euch geblieben ist. Was müsst Ihr auch so köstlich sein, so wohlschmeckend, so berauschend!
Im Kloster frische ich meine Sprachkenntnisse auf, meine Gesangskünste auch, und dann suche ich mir ein schönes Plätzchen in der Kirchenhierarchie. Wer will schon das schwache Ende in einem Feudalverhältnis sein, das dem ersten Frühlingslüftchen nicht standhält. Ewiges Hoffen und Bangen, dass Mut und Treue auch gebührend entlohnt werden, damit ist es vorbei. Nur wer mächtig ist, ist frei.
Kirche, das ist es! Dass ich mir erst meine Burg in Trümmern hauen lassen muss, bis ich darauf komme. Kinder, darauf müssen wir anstoßen, ein Fläschchen wird doch hier noch sein, wenn ich nur ein paar Steine beiseite schiebe, nun gut, diesmal werden es ein paar mehr sein, die hoch liegenden Früchte habe ich schon gepflückt. Ein bisschen noch graben, und fühle ich da nicht etwas Glattes, Schönes, Glasiges? Richtig, da bist du ja, prall und wohlgeformt wie deine Schwestern. Ein Schlag mit dem Schwert und Prost, liebe Freunde!
Das Fläschchen nehme ich mit, als Wegzehrung.
Auf zur Kirche!